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Palermo Cappuccini

 

2002

 

 

Photos hier

 

IN DEN KATAKOMBEN DER CAPPUCCINI...

 In den Katakomben der Cappuccini in Palermo umgeben von Mumien sucht ein Mann Besinnung. So beginnt ein Film (1), der mich vor vielen Jahren fasziniert hatte: Diese Stätte selbst zu sehen war ich nach Palermo gereist.

Die Mönche des Cappuccini-Klosters wurden in Gewölben bestattet – später wollten dort auch Honoratioren und Militärs für die Ewigkeit erhalten werden – und blieben durch die trockene Luft Mumien-artig erhalten. Die Cadaveri eccellenti sind jetzt gegen Eintritt zu besichtigen. Ein erster Rundgang durch die Katakomben bestärkte meine Absicht, die an den Wänden aufgestellten und in Nischen abgelegten Toten zu zeichnen und zu photographieren. Aber: No Foto, no Film!, belehrten mich barsch ein alter und ein sehr alter, sehr gebrechlicher Mönch (den Figuren, die sie bewachen, schienen sie mir nicht fern).

Die beiden Cerberi erlaubten immerhin, daß ich zeichnen durfte.

Ich zeichnete das berühmte Kind (2), einige wie Schaufensterpuppen an den Wänden aufgestellte Mumien-Gruppen - Reihen von schwarzbraunen Kutten, in der Weise neben- und übereinander aufgehängt, wie man es mit den Kleidern in Garderobehandlungen tut (3) - und zwei kleine Portraits.

Als ich die Postkarten-kleinen Skizzen dem Hausherrn zeigte, erlaubte mir der Pretre auch zu photographieren. Als für Touristen geschlossen war, ging ich also mit meiner Kamera herum und photographierte:

Hier fletschte ein Totenkopf das ganze Gebiß aus weitgeöffnetem Munde hervor, dort hatte einer das Auge offen und sah gleichsam blinzelnd über schief verzerrtem Munde auf uns herab. Jeder Kopf bot ein anderes Bild des Todes, jeder Krampf, jede Verzerrung fand hier ihren Repräsentanten. Dazu hatte das Hängen etwas Widriges, und die Namen, Titel und Eigenschaften der Skelette, welche an und über ihnen in deutlichen Lettern zu lesen waren, erschienen wie die bitterste Verhöhnung aller irdischen Eitelkeit. Den Skeletten bleibt nur soviel Fleisch, um in den Muskeln den Ausdruck der Todesstunden festzuhalten, und je mehr wir diesen zu betrachten anfingen, je gräßlicher, je qualvoller erschien er uns.

Die Frauen liegen in Schränken hinter Glasfenstern, jede Leiche hat ihr besonderes Fach. Für mich sahen diese in Atlas und Sammet gehüllten, mit Perlen und Ringen geschmückten Skelette noch viel schrecklicher aus als die der Männer. (3)

Manche der Figuren erinnerten mich an die Mannequini in den Bildern Giorgio de Chiricos. (4) Andere hängen an den Wänden wie die sizilianischen Marionetten. (5)

Busladungen von Touristen kaufen Eintrittskarten – der Erlös kommt der Gemeinde zugute - und diese Horden eilen Tag für Tag durch die Gänge, oft laut und respektlos. Die Toten sind zwar gegen Souvenierjäger mit Gittern abgeschirmt, aber durch die vielen Führungen ist die Luft in den Gängen und Hallen nicht mehr so trocken. Mir scheint, mit Ewigkeit wird es nichts und daß die Toten nun doch verrotten und letztlich nur Skelette übrig bleiben werden.

 Rüdiger Kramer

 

(1) Francesco Rosi – Die Macht und ihr Preis, 1976 (Originaltitel: Cadaveri eccellenti), http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Macht_und_ihr_Preis

(2) Rosalia Lombardo, 2 Jahre alt geworden, gest. 6. Dezember 1920

(3) Fanny Lewald - Begräbnisse in Italien und die Katakomben in Palermo in: Italienisches Bilderbuch, 1847, http://projekt.gutenberg.de/?id=5&xid=1627&kapitel=40&cHash=3d6016b731ital502#gb_found

(4) Ein echt in Öl gemalter de Chirico hing zu meiner großen Freude im Frühstückssaal unseres Hotels, leider, wie der Kellner zur Auskunft gab, „un falso“. Doch was sind die Mumien mehr als Falsifikate ihrer selbst?

(5) Im Marionetten-Museum zu Palermo ist auch ein Tödlein ausgestellt.

 

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