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Rede

 

 

Rüdiger Kramer, Menden - die Stadt im Walde, Ölbilder und Aquarelle

Ausstellung im Museum Menden für Stadt- und Kulturgeschichte

vom 8.11.2003 bis 10.1.2004

 „Menden – die Stadt im Walde“ – so hieß vor einigen Jahren das Motto einer Ansichtskarte. Besucher und Bewohner sollten auf die einzigartige Lage der Stadt inmitten von Wäldern aufmerksam gemacht werden. Gerade diese Lage bedingt seit Jahrhunderten die vielfältige Nutzung des Waldes durch die Mendener. Die gesamte Bauweise in unserer Stadt, die Fachwerkhäuser mit Eichenholzständern, die Dächer mit Holzschindeln, war abhängig vom Wald. Das Befeuern der Kamine, Leben, Essen, Wohnen, Wärme – alles hing von Holz ab. Der Wald bot auch Nahrung: Beeren, Pilze, Heilkräuter, Wild – vor allem bot er dem Nutzvieh Nahrung: Schweine wurden vor dem Schlachten zur Eichelmast in die Waldemei getrieben. Sie mästeten sich aber auch an den Bucheckern.

„Wie wol der Speck der von Bucheckern gemasteten Schweinen nicht so fein hart ist wie der von Eicheln, sondern wenn er in dem Rauch und Schornsteinen henckt, gewaltig tropfft“ (Adamus Lonicerus).

 Aus Birken – und Brennesselblättern stellte man ein Haarwasser her, in einer Anweisung für Gichtkranke heißt es:

 „Der Kranke soll sich vor Tagesanbruch im Wald einfinden und dort drei Tropfen seines Blutes im Spalt einer jungen Fichte versenken. Nachdem er die Öffnung mit Wachs und Honig verschlossen hat, soll er laut rufen: Guten Morgen, Frau Fichte, da bring ich dir die Gichte.“

 Wald war aber immer schon auch Ort der Ruhe und Erholung, der künstlerischen Inspiration. Märchen und Sagen sind ohne Wälder nicht denkbar. Spätestens seit der Romantik, seit C.D. Friedrich und seit Rousseaus Aufruf „Zurück zur Natur!“ wird der Wald in Gedichten, Erzählungen, in Musikstücken und Gemälden zum Thema. Dient er anfangs in der Kunstgeschichte als Staffage für religiöse oder mythologische Szenen, so wird er bald als alleiniges Thema bildwürdig. Jeder Künstler, jede Epoche schildert den Wald mit anderen Augen. Von den Romantikern wird er dramatisch erhöht oder in lieblicher Stimmung geschildert, der Wald wird zur Seelenlandschaft. Die Impressionisten bedienten sich des Themas Wald, um den ständigen Wechsel des Lichts zu zeigen, um Augenblicke mit spontanem Pinselstrich festzuhalten. Seit dem 20 Jh., seit dem Wachsen riesiger Großstädte, seit der Gefährdung des Waldes, ist der Wald für uns Ort zum Atemholen:  

„ Die Seele wird vom Pflastertreten krumm. Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um.“ Erich Kästner

Als Rüdiger Kramer vor einiger Zeit ins Museum kam und mir seine Waldbilder zeigte, hatte ich im selben Moment das Gefühl, ich betrete den Wald. Ich befand mich angesichts dieser Bilder mitten zwischen den Baumstämmen auf einem erdigen, laubbedeckten Waldweg. Durch die Art der Komposition zieht Rüdiger Kramer den Betrachter seiner Bilder in den Wald hinein. Der Wald tut sich auf und man möchte losgehen, denn es ist genau der Blickwinkel, den man als Spaziergänger hat, den man kennt, an den man sich angesichts dieser Bilder erinnert. Man sieht nur diesen Ausschnitt der Baumstämme, größer ist unser Blickwinkel nicht, es sei denn, wir schauen bewusst nach oben und in die Baumkronen. R. Kramer ist für mich nicht ein Künstler, der den Wald romantisiert oder dramatisch schildert. Er ist auch kein Impressionist, obwohl der Zustand des Lichts in seinen Werken eine große Rolle spielt. Er ist für mich ein echter Naturschilderer, ein genauer Beobachter, ohne dass er sich im Detail verliert und ohne dass er die Gegenständlichkeit aufgibt. Er hat einerseits den Wald genau beobachtet und andererseits seine eigene Sehweise und den eigenen, typisch menschlichen Blickwinkel zum Thema gemacht.

In vielen Bildern spielt der Baum in der Komposition die Hauptrolle, er ist Mittelpunkt des Bildes, Hauptfigur, oft teilt er das Bild senkrecht in zwei Teile und verankert die Enden des Bildformats. Die Komposition ist stets die markante senkrechte Linie, der Baumstamm trägt das Bild und hält es fest zusammen. Der Baum als Hauptsache trägt unser Weltbild – damit ist eigentlich schon alles ausgesagt über die lebenswichtige Bedeutung, die die Bäume und der Wald für uns Menschen haben. Gleichzeitig werden wir klein angesichts solcher Natur, ein kleiner Teil von ihr. R. Kramers Wald ist kein Urwald, kein Wald ohne menschliche Spuren, sondern ein Nutzwald, unser Mendener Wald, den er in immer wieder anderen Perspektiven, Stimmungen, Farben und Eindrücken schildert. Kramers Bilder gehören zur seltenen Sorte jener Kunstwerke, die man erlebt und die zum Erlebnis werden.

Kramer, der 1953 in Menden geboren ist, studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie als Meisterschüler u.a. bei Joseph Beuys. Er erhielt ein Stipendium des Kultusministeriums Nordrhein Westfalen für einen Studienaufenthalt im italienischen Olevano als Sonderstipendium zum VillaMassimo sowie Stipendien der Aldegrever-Gesellschaft in Münster. Ein weiteres Stipendium führte ihn zu Studienzwecken in den Bergbau. Im Jahr 2002 erhielt er den Kunstpreis der Stadt Euskirchen. Hinzu kamen Lehraufträge an verschiedenen Akademien und Instituten sowie seit 1986 das künstlerische Arbeiten mit psychisch Kranken und Geistigbehinderten. Eine erste Ausstellung der Werke des jungen Künstlers wurde 1975 auf der Willlhelmshöhe in Menden präsentiert. Es folgten Ausstellungen in Düsseldorf, Bonn, Iserlohn, Heerlen/Niederlande, Kiel, München, Florenz und Berlin, um nur die wichtigsten Stationen zu nennen.

Ein vorzügliches Selbstporträt, in dem er das Bild, das er gerade von sich zeichnet, auf dem Schoß hält, hängt ebenso in der Ausstellung wie ein Porträt seiner Frau Astrid, während sie einen Weihnachtsstern zeichnet. Die Entstehung einer Zeichnung hat zur Entstehung einer weiteren Zeichnung geführt. Und wie hervorragend auch Astrid Kramer zeichnet, das können Sie an 6 kleinen Zeichnungen sehen, die sie zum Thema Mendener Wald geschaffen hat. Die in der Komposition deutlich filigraneren Zeichnungen gehen in besonderer Weise auf die Lebendigkeit, auf die organische Materie, die lebendigen Strukturen der Bäume, Äste und Zweige ein und eröffnen uns wieder einen anderen Blickwinkel. 

Als Rüdiger Kramer sich damals im Museum vorstellte, brachte er noch eine andere Art Bilder mit: Porträts verstorbener Menschen, Menschen, die er auf dem Totenbett gezeichnet hat.

Diese Werke haben mich damals unglaublich berührt. Wir waren uns zunächst einig, das sie für eine Ausstellung im Mendener Museum nicht geeignet sind. Aber ich glaube, inzwischen hat sich die Vorstellung vom Tod in der Gesellschaft gewandelt. Ich denke für die Zukunft an eine Ausstellung zum Thema Totenkult und Brauchtum – und da komme ich ganz bestimmt auf Rüdiger Kramer zurück.

 Zunächst wünsche ich Ihnen allen einen erholsamen Morgen beim Spaziergang durch diese Bilder und dass Sie „bei den Bäumen Ihre Seele umtauschen“, wie Kästner sagt.

 

Jutta Törnig-Struck, Museum Menden

 

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